1804 – 1876
Die Lieb’ ist aller Sterne
feste Sonne,
Die durch den weiten Himmel
Leben sprühet
Und schafft, daß jede Farbe
lustig glühet;
Die Wesen dürsten, und sie
stillt mit Wonne.
Die Erde wäre sonst nur eine
Nonne,
Die Sonn’ auf ihren Wangen wär
verblühet,
Nur Tod und Winter hätten sich
verfrühet:
Die Welt wär nichts als eine
finstre Tonne.
Wer zweifelt noch, woher die
Lieb’ entstamme?
Auf jeglichem Altar ist sie
die Flamme,
Und ist die Flamm’ auf Vesta’s
keuschem Heerde.
Nehmt ihrer wahr! Sonst wächst
sie ungeheuer,
Verschlingt in Flammen Himmel
euch und Erde,
Und überflammet Höll’ und
Fegefeuer!
1804 – 1876
Wie sündlich, Knospen vor der
Blüthe Prangen,
Wie sündlich Blüthe vor vor
der Frucht zu fällen:
Laß ab, unreifem Kusse
nachzustellen,
O, wenn du kannst, bezähm ein
wild Verlangen.
Weißt du den Kuß auf schönstem
mund dir hangen,
So braucht er Schatten und muß
still bei hellen
Thränen erblühn, sich süßen
und sich schwellen,
Und langsam reifen bei
verschämten Wangen.
Wer gab? wer nahm? Er fällt in
trauter Stunde,
Wie reife Frucht, leis’
angerührt, zum Munde,
Und für dies Leben ist das
Herz erquicket.
Er ist so sanft von
stillgeweinten Thränen,
So heiß und ungestüm von
herbem Sehnen,
Und süßes Flüstern wird davon
ersticket!
1804 – 1876
Was hebt den jungen Busen zum
Gesange,
Daß er so mächtig schlägt, so
innig klaget?
Die Liebe, die sich nicht zu
denken waget,
Und wieder Liebe mit dem
starken Drange!
Schau ich nun aber deine
blasse Wange,
Ach, nur ein Schmerz ists, der
am Herzen naget,
Und auch dein thränenfeuchtes
Auge saget,
Vertraut dem Gram ist dieses
Herz schon lange.
Die Kunst ward keinem der mit
reinem Munde
Nicht Lieb’ und Schmerz aus
vollem Kelch getrunken,
Den bittern wie den süßen bis
zum Grunde.
Den einen trankst du; doch mit
Sangeslippen
Sollst du der sel’gen Liebe
Kelch auch nippen:
Und zünde dir ins Herz ihr
heil’ger Funken!
1804 – 1876
Ein schmucker Jäger dort mit
kühnem Sinn,
In den bebenden Gliedern
frisches Blut,
Sein Rohr ist rostig, doch
sein Blick ist gut,
Das Wild im Wald ist seines
feines Rohrs Gewinn.
Als er mich sah, so schlüpft’
er seitwärts hin
Und war wie einer welcher
Böses thut;
Wohl, ich verstehe dich, was
auf dir ruht –
Du bliebest, wenn du wüßtest
wer ich bin.
Du hast mich nicht zu fliehn –
doch ich zu weinen,
denn unser Schicksal ist sich
nahe gleich,
Nur gleicht sich deins an
Schwere nicht dem meinen.
Die Welt ist, was das Herz
sich wünscht, so reich,
Ich hab’ ein Herz – doch reich
sind nur die Reichen –
So muß ich durch die Welt als
Wilddieb schleichen.
1804 – 1876
Das war bei Nacht, und ich war
fehlgegangen,
Kein Leitstern wollte meinem
Wege leuchten;
Die Zweig’ umstrickten, näßten
mich, die feuchten,
Und Dornen ritzten streifend
mir die Wangen.
Ich war voll Angst, ich hatte
mich verfangen,
Um meinen Fuß mir wollt’s wie
Schlangen deuchten.
Auf einmal flammt am Himmel
rothes Leuchten:
Was sah ich da statt Dornen
und statt Schlangen?
Es waren lauter Rosen, naß vom
Thaue,
Ein See lag unten zwischen
holden Hügeln,
Und Blüthenbäume standen rings
und lachten.
Doch das verschlang die Nacht
mit schwarzen Flügeln:
Ein einz’ger Blick, und dann
ein langes Nachten!
O sel’ger Tag, brich an,
aufdaß ich schaue!
1804 – 1876
Wo wollt’ es hin, wenn jede
Knospe blühte,
Wenn alle keime sproßten und
gediehen,
Und wenn wir müßten alle
Saamen ziehen –
Daß uns der Himmel doch davor
behüte.
Ja, die Natur die reiche,
voller Güte,
Hat auch dem Untergang sein
Recht verliehen,
Zufrieden der Vernichtung zu
entfliehen,
wenn nur Ein Körnchen keimt
aus Einer Blüthe.
Und der du selber lebst vom
Untergange,
Und keinen Schritt thust, ohne
zu zerstören,
Willst gegen die Natur dich
hier empören!
Was giebt denn dir, o Mensch,
ein Recht, zu wollen,
Daß jede deiner Saaten keim’
und prange,
Und daß sich deine Mühn
vergelten sollen?
1804 – 1876
Wie du dein Glück machst? Hier
vernimm das Wahre:
Zuerst bist du begünstigt für
dies Leben,
Wenn dir Natur nur Mäßiges
gegeben:
Und stets den regelrechten Weg
bewahre!
Lern dich betrachten nur als
Ding und Waare,
Was man dich heißt, das sei
dein ganzes Streben,
So wird man höher dich und
höher heben:
So sicher folgt kein Jahr dem
andern Jahre.
Dies ist der Gang der Welt.
Und treu und redlich
Kann man dabei sich nähren und
die Seinen,
Und wohl dem Staat, dem
solcher viele dienen!
Ja, tausend müssen leben als
Maschinen,
Damit ein Einz’ger könn’ als
Mensch erscheinen –
Wenns mehre wären, wäre das so
schädlich?
1804 – 1876
Es wächst der wald mit immer
mächt’gern Stämmen,
Die stolze Tann’ und die
friedliche Linde,
Und Mann und Jungfrau werden
aus dem Kinde:
wer will es ändern und wer
will es hemmen?
Unmöglich, sich dagegen
anzustemmen:
Die Jahre rollen eben nicht
geschwinde,
Unwiderruflich doch. Es wäre Sünde,
Doch wer vermöchte das, die
Zeit zu dämmen.
Ihr aber, die ihr sie wollt
überspringen,
Wißt ihr auch, was ihr thut?
ein Werk der Thoren!
Doch gilt’s gleichviel, und
nichts ist hier verloren.
Die Zukunft ist unwandelbar
geboren,
Und was dem Weisesten nicht
kann gelingen,
Das muß, zur Zeit, der Zufall
selbst vollbringen.
1804 – 1876
Ich sah ein Land, mit aller
Gunst gesegnet,
Und glaubte mich im Lande der
Schlaraffen.
Man braucht hier nur den segen
einzuraffen,
Der überall vom Himmel
niederregnet.
Doch wo der Menschen Thun mir
ist begegnet,
Da sah ich alles faulen und
erschlaffen,
Und nach der Scholle schien
der Mensch erschaffen,
Daß er des Denkens nimer sich
verwegnet.
O kommt und schaut nach meinem
Vaterlande:
Es ist nur eine flache Schicht
von Erde
Durch strengen Fleiß auf einem
Meer von Sande.
Hier hat ein männlich Volk,
stark durch Entsagen,
Ein Reich gegründet durch ein
mächtig Werde,
Deß Gipfel stolz vor allen
Kronen ragen.
1804 – 1876
Habt ihr von jenen Reisenden
vernommen,
Die in des hohen Nordens ödem
Kreise
Mit Hunden strebten auf dem
weiten Eise,
Vor sich den Nordstern, nach
dem Pol zu kommen?
Von reicher Pracht des
Nordlichts angeglommen,
So fuhren sie in stets geradem
Gleise
Pfeilschnell dahin, doch
wunderbarer Weise
Sahn sie des pfeilgeschwinden
Laufs kein Frommen.
Da sahn sie ein: auf einer
Eisesscholle
Trug sie umsonst des
Schlitters Flug gen Norden,
Derweil das Eis gen Süden
fuhr, gewaltsam!
Ihr Kleinen alle, sei’s von
welchem Orden,
Was eifert ihr? bedenket eure
Rolle!
Der Boden, drauf ihr steht,
rollt unaufhaltsam!
1804 – 1876
Die ihr die Ohren stopft, um
nicht zu hören,
Nehmt diesen Spiegel, drin
euch zu betrachten:
Nur Todtes, Fernes, Fremdes
wollt ihr achten,
Doch das Lebendige verneinend
stören!
Ihr ließet Galilei heut noch
schwören,
Ihr ließt die Großen, die den
Tag uns brachten,
Kepler und Lessing, heute noch
verschmachten,
Von Gauklern aber ließt ihr
euch bethören.
Ich sag’ es euch: auch dieses
ist ein Morden:
Ihr glaubet erst, wann’s
wieder falsch geworden,
Und dünkt euch drob des heil’gen
Worts Verkünder!
Ihr hättet „Kreuzige“
geschrien, ihr Sünder,
Und hättet Christum an das
Kreuz geschlagen:
Denn wißt: ihr thuts noch
stets in unsern Tagen!
1804 – 1876
O blendet mich, so werdet ihr
mich heilen,
Ich kann nicht länger mitten
inne schweifen,
Soll ich denn aber selbst
Partei ergreifen,
Und selbst im Kampf zu einer
Fahne eilen?
Denn wer im Kampfe sinnend
will verweilen,
Den faßt das Schwungrad in die
schnellen Weifen
Und wer sich muß nach beiden
Seiten steifen,
der Kräfte Kampf wird ihm das
Herz zertheilen.
Dein denk ich, deutsches
Vaterland, und weine:
Du bist das Herz! Du fühlst es
in den Adern,
Wenn Nord und Süd, wenn Ost
und Westen hadern.
Du reichst dem knechtisch
frommen Volk die Eine,
Die andre Hand dem
leichtgesinnten Franken:
Bestimmt, die Elemente
auszuschwanken.
1804 – 1876
Es hat die Press’ ein
deutscher Mann erfunden,
Die tausend Flügel leihet dem
Gedanken,
Ein Heil der Welt! Doch blick’
ich hin nach Franken,
Muß ich gestehn, sie schlägt
auch tiefe Wunden.
Wer macht sie frei, und hält
sie doch gebunden,
Und wer kann finden die
gerechten Schranken?
Wir sahen Throne wanken,
Völker kranken,
Doch Deutschland müsse stets
durch sie gesunden!
Sie trägt der Weisen
klargedachte Worte
Von Markt zu Markt und an die
stillste Pforte,
Und redet ohne Menschenfurcht
am Throne.
Doch ach, zum Drachen schwillt
sie ungeheuer
Von Mißtraun, von Parteienhaß,
Lug und Hohne,
Furchtbar, unzähmbar, wie des
Waldbrands Feuer!
1804 – 1876
Was fragen sie, ob es uns Lust
gewähret?
Es scheint der Mond die ganze
Schlummernacht,
In Wüsten auch und öde Wildniß
lacht
Die Sonne, die des Menschen
Herz verkläret.
Fragt auch die Nachtigall, ob
ihr sie höret?
Sie singt, wenn alles schläft
und keiner wacht,
Es singt der Vogelschwarm mit
lauter Macht
Im tiefsten Wald, wo keiner
hört und störet.
Des Dichters Lied, im Innern
still erzogen,
Ein süßer Umgang, mit sich
selbst gepflogen –
Er singt es, weils ihn freut,
wer wills verwehren?
Der Hörer und des Lobs kann er
entbehren;
Doch wenn sein Lied ihm
Lauscher angezogen,
Es wird ihr Lob ihn freuen und
ihn ehren.